aus der philippinischen Presse



  • PRESSESCHAU VON HEIKO ECKARD

    Sonntag, den 29. März 2020

    (zum Bild: Wir sitzen alle in einem Boot)

    Der Senator und unser Sohn – Ich koennte heute weiter Einzelmeldungen nacherzaehlen, hab aber keine Lust dazu, wie ich gestern bereits andeutete. Und ein Sonntag ist halt der angesagte Tag fuer einige Sonntagsgedanken, die ueber die Schlagzeilen hinausgehen, wie die der “Times”, die eine Mahnung der WHO (World Health Organization) ausposaunt: “Macht euch bereit fuer einen langen Kampf”. Gut und schoen, aber in dem Artikel steht nun leider nicht, wie man sich fuer einen langen Kampf gegen das Corona-Virus bereit macht. Das waere aber doch interessant gewesen.

    So greife ich zurueck auf zwei Dinge, die mir heute vor dem Aufstehen durch den Kopf gingen. Das eine ist die Kolumne “Privileged and entitled” von Antonio Contreras in der gestrigen “Times”, die sich mit dem Verhalten des Senators Aquilino Pimentel befasst, der trotz “self-quarantine” seine Frau ins Hospital begleitete. Ich habe ueber die Kolumne gestern nicht geschrieben, doch ein Detail daraus spukte noch in meinem Kopf herum. Fuer alle gilt “social distancing” und “self-quarantine”, doch – so einfach ist das eben nicht, wie Contreras schreibt:

    Was gewoehnliche Menschen nicht haben und Pimentel hat, sind Anspruch und Privilegien. Er ging sogar einkaufen, als er sich selbst unter Quarantaene stellen sollte. Das ist die groeszere Travestie. Und er leitete dies aus seinem Titel als Senator ab, der tatsaechlich von den Quarantaene-Regeln ausgenommen ist, die mit nicht weniger als der Imprimatur des Praesidenten festgelegt wurden. Pimentel nimmt eine Position ein, die zur privilegierten Liste der Personen gehoert, die nicht unter Reisebeschraenkungen fallen. Dazu gehoeren unter anderem der Praesident und sein Kabinett, Richter des Obersten Gerichtshofes sowie Mitglieder des Kongresses und deren Stabschefs.

    Diesen Absatz mochte ich gestern nicht anfassen, aber – mein Kopf ist selbsttaetig – unterdruecken liez er sich auch nicht. Heute frueh, unbeaufsichtigt im Halbschlaf, war er wieder da.

    Nicht aus den Blaettern, sondern aus dem wirklich wahren Leben, kam der andere Punkt, der sich den Gedanken heute frueh hinzugesellte.

    Wir leben hier in GenSan in einem Haus, meine Frau und ich, unser Sohn, und dessen zwei schulpflichtige Toechter. Falls neugierige Leser wissen wollen, wo die Kindsmutter unserer Enkel ist, so wird das in hiesigem Sprachgebrauch mit “Nalumos sa sabaw” beantwortet, was woertlich uebersetzt heiszt: “In der Suppe ertrunken”. In der Gegend, in der ich aufwuchs, zwischen Ruhrgebiet, Westfalen und Sauerland haette man gesagt: “Hat sich verduennisiert.

    Doch will ich nicht abschweifen. Fakt ist, dass in einem Haushalt mit zwei Senioren und zwei Kindern die Rolle des “Handlungs-Beauftragten” unserem Sohn zufaellt, der praktischerweise auch einen Fuehrerschein und ein Sikad hat. Der kam gestern vom Einkauf bei SaveMore zurueck und sagte: “Ab Montag ist alles zu.” Auf Nachfrage stellte sich heraus, dass andere Sicad-Fahrer erzaehlen, dass ab Montag in GenSan alle Geschaefte geschlossen werden. Das sei Unfug, sagte ich, die koennen die Leute nicht verhungern lassen, und ich war drauf und dran, ihn zurueckzuschicken, um bei SaveMore nachzufragen, ob die naechste Woche geoeffnet haben.

    Ich hab das nicht getan, sondern mit ihm spaeter darueber geredet, was er sich denn gedacht hat, als dieser Bursche ihm das erzaehlte. Ob er nicht einen Schreck bekommen haette, wie er seine Toechter ernaehren koenne, wenn kein Geschaeft oeffnet. Wir einigten uns darauf, dass nicht sein kann, was nicht sein darf, und dass eben diese Order Geschaefte zu schlieszen diese drei Ausnahmen hat: Lebensmittel, Apotheken und Banken.

    Diese zwei Dinge waren in meinem Kopf noch nicht fertig, als ich aufwachte. Doch was zum Teufel hat der Senator mit unserem Sohn zu tun?

    Jetzt komme ich auf den Fanfaren-Stosz der WHO zurueck, den die “Times” zur Schlagzeile gewaehlt hat: “Macht euch bereit fuer einen langen Kampf”.

    Die Bereitschaft beginnt im Kopf, und das hat das Virus mit der Demokratie gemein: vor ihm sind alle gleich. Egal, ob Senator oder Sicadfahrer. Ihr muesst nicht dies oder das sein, eure pure Existenz genuegt, dass ihr dazu gehoert. Wir alle sitzen in dem Boot, das die philippinische Flagge fuehrt. Damit das nicht untergeht, gibt es Regeln, die mit “social distancing” und “self-quarantine” zu tun haben, und eben auch mit der Oeffnung und Schlieszung von Geschaeften.

    Da mag der Senator sich auf Privilegien berufen, auf die er einen Anspruch hat, aber damit verlaesst er das Boot, das uns aus der Krise bringen soll. Und da kann ein Buergermeister nicht einfach Geschaefte schlieszen und gegen die Order des Kapitaens verstoszen, der fuer das ganze Boot angeordnet hat, dass Geschaefte fuer Lebensmittel, Apotheken und Banken offen bleiben. Der Buergermeister wuerde das Boot verlassen, das uns aus der Krise bringen soll.

    Wir muessen uns an den Gedanken gewoehnen, dass wir die Krise nur gemeinsam ueberstehen, nicht jeder fuer sich. Und die wird dauern. Die WHO spricht von einem “langen Kampf”, und Carlito Galvez, den ich gestern zitierte, fasst als Handlungs-Beauftragter der Regierung im Kampf gegen das Virus “einen nationalen Aktionsplan fuer die ersten 100 Tage” ins Auge. Die Wendung “fuer die ersten 100 Tage” beinhaltet, dass weitere Tage folgen. Das ist nicht naechste Woche vorbei.

    Und wenn in den Medien derzeit so gern von “denen an der Front”, den Aerzten und Krankenschwestern geredet wird – die Maedel im SaveMore oder sonstwo an der Kasse sitzen “auch an der Front”. Niemand weisz, ob er nicht selbst bereits ein Wirt dieses unerwuenschten Gastes namens Corona ist.

    Einen schoenen Sonntag noch.



    Gemaesz “Manila Times” u.a.

    Mein Name ist Heiko Eckard. Ich wurde 1946 in Werries – Deutschland – geboren, besuchte das Neusprachliche Gymnasium in Hamm, studierte Philosophie und Mathematik in Münster und arbeitete als Programmierer in München, Nürnberg und Fürth. Nach meiner Pensionierung ging ich 2011 mit meiner Frau Ofelia Villaflores Eckard in ihre Heimat, General Santos City – Philippinen. Auf dieser Seite beschreibe ich, was mir aus der philippinischen Presse ins Auge sticht.

    Die Presseschau von Heiko Eckard wird mit seiner Einwilligung und Erlaubnis in den PHILIPPINEN MAGAZIN mit NACHRICHTEN veröffentlicht


    Sat, 28 Mar 2020 23:57:42 +0000 - PHILIPPINEN MAGAZIN mit NACHRICHTEN



    Quelle : aus der philippinischen Presse – PHILIPPINEN MAGAZIN mit NACHRICHTEN