Katholische Kirche stellt sich gegen die brutale Drogenpolitik des philippinischen Präsidenten

  • David und Duterte

    Dutertes schärfster Kritiker ist ein Bischof

    Manila, Philippinen – Wenn Bischof Pablo Virgilio David abends zu seinem Rundgang in Caloocan aufbricht, bücken sich Passanten und küssen ihm demutsvoll die Hand. Eine barfüssige Kinderschar erwartet Almosen und Geschenke. Noch sind die Strassen lärmerfüllt und voller Abgase. Doch der grossgewachsene Bischof ist in dieser Diözese, die für ihre Problemquartiere bekannt ist, in seinem Element.

    Im Umkreis der Kathedrale San Roque in der philippinischen Hauptstadt Manila ist der 59-Jährige zu Hause. Er kennt die Bettler, die dunklen Gassen und den verwinkelten Weg ins Gefängnis, das zehnfach überbelegt ist und in dem er alle zwei Wochen Messen liest. Er weiss aber auch, dass er auf seinen Gängen beobachtet wird. Präsident Rodrigo Duterte hat damit gedroht, ihm wegen angeblichen Drogenhandels den Kopf abzuschneiden. Seither sind die Wachen vor der Kathedrale verstärkt und der Bischof etwas vorsichtiger geworden.

    Ein «kranker» Staatschef

    Einen Drogenhändler stellt man sich anders vor. Bischof David spricht ruhig und zitiert Apostel auf entwaffnende Weise. Er hat soeben das Buch «The Gospel of Hope» publiziert, in dem es auch um den Drogenkrieg geht. Der stellvertretende Präsident der katholischen Bischofskonferenz der Philippinen gilt als einer der intelligentesten Priester im Land und als Anwärter auf das höchste Kirchenamt auf dem Archipel. Er pflegt Kontakte mit Menschenrechtsorganisationen und Hilfswerken in der Schweiz wie Fastenopfer. Unter den philippinischen Klerikern hat er sich als Dutertes schärfster Kritiker hervorgetan.

    «Unser Land wird von einem sehr kranken Mann geführt.» In dem Satz, der dem Bischof wie beiläufig über die Lippen kommt, schwingt fast Mitleid für Duterte mit. Vom Papst bis zum einfachen Pater habe dieser alle beleidigt. Dutertes Aufruf vom 5. Dezember, die nutzlosen katholischen Bischöfe umzubringen, nehme man durchaus ernst, sagt David. Doch Angst zu haben, könne man sich nicht leisten. Das sage er auch unverblümt angehenden Priestern im Seminar: «Wer Angst hat, ist am falschen Ort und sollte besser austreten.»

    Den Feldzug gegen Drogen, der im ganzen Land bisher etwa 20 000 Opfer gefordert hat, erlebt Bischoff David aus nächster Nähe. In seiner Diözese, die mit Caloocan, Malabon und Navotas die ärmsten Quartiere Manilas umfasst, zählt man die meisten Erschiessungen. Drogenkonsum und Handel seien in erster Linie Symptome von Arbeitslosigkeit, Verzweiflung und Armut, meint er. David setzt sich deshalb in seinen Gemeinden für Rehabilitationsprogramme ein. Dutertes Drogenkrieg torpediere aber solche Bemühungen, weil Personen, die sich als Drogensüchtige outeten, in Lebensgefahr schwebten.

    Immer noch gibt es in seiner Diözese jede Nacht Tote. Für den Bekanntesten unter ihnen, den 17-jährigen Kian Delos Santos, hat der Bischof vor der Kirche eine Marmor-Gedenktafel errichtet. Kian wurde am 16. August 2017 von drei Polizisten gezielt umgebracht. Vor einem Monat stufte ein Gericht diese Tat als Mord ein. Noch ist unsicher, ob das Urteil eine Wende bedeutet. Immerhin hätten die Richter Mut bewiesen, sagt der Bischof. Es ist das erste Mal überhaupt, dass die Justiz dem Argument der Selbstverteidigung nicht folgte und die betreffenden Polizisten hinter Gitter brachte.

    Der Bischof kennt den Fall. Er brachte Zeugen jenes nächtlichen Mords auf dem Kirchenareal unter und schützte sie so vor Einschüchterungen. Daraufhin wurde er beschuldigt, die Justiz behindert zu haben. Unter den Schutzsuchenden war eine junge Frau, der vorgeworfen wurde, dass sie in jener Abendstunde den Strom im Quartier nicht abgeschaltet hatte. Offenbar gehört es zur gängigen Vorbereitung der Todeskommandos, dass sie die Strassen in Dunkelheit tauchen, um unerkannt zu bleiben. Weil dies im Fall von Kian Delos Santos nicht geschehen sei, sei der Mord von Überwachungskameras aufgezeichnet worden, erzählt der Bischof. Diese Aufnahmen waren ein entscheidendes Beweismittel für die Verurteilung.

    «I kill people, Father»

    Dutertes Drogenkrieg führe nicht nur zu vielen Toten unter den Ärmsten, meint der Bischof. Er führe auch dazu, dass Menschen wider Willen zu Mördern würden. David zückt sein Smartphone und zeigt ein Video von zwei Exekutionen durch vermummte Killer: eine auf der Strasse, die andere in einem Internet-Café. Dann erzählt er von einem Auftragsmörder, der eines Morgens bei ihm auftauchte, in den Sessel sank und erzählte, dass sein nächster Auftragsmord am gleichen Nachmittag anstehe. «I kill people, Father», sagte der Mann lakonisch. Aber er könne jetzt nicht mehr, weil er beim letzten Auftrag die Schreie der Familie miterlebt habe.

    Auf den Philippinen galt lange Zeit das eiserne Gesetz, dass kein Präsident auf Dauer gegen den Widerstand der katholischen Kirsche regieren könne. Dies wurde dem Diktator Ferdinand Marcos zum Verhängnis, der 1986 durch einen Volksaufstand aus dem Amt gejagt wurde. Der Erzbischof Jaime Sin spielte dabei eine wichtige Rolle. 25 Jahre später wirkte die Kirche auch im Amtsenthebungsverfahren gegen Präsident Joseph Estrada mit.

    Doch die Zeiten von Kardinal Sin seien vorbei, sagt Bischof David. Die Kirche habe auf den Philippinen heute keine politische Funktion mehr. Um den geringen Einfluss zu illustrieren, verweist er auf seine eigene Pfarrei, wo gerade noch zehn Prozent der Bewohner regelmäßig zur Kirche gingen. Es sei deshalb auch absurd, der Kirche Absichten zur Destabilisierung von Präsident Duterte zu unterstellen. Man respektiere vielmehr, dass Duterte bei seiner Wahl ein starkes Mandat erhalten habe. Aber als Kirche stehe man auf der Seite der Armen und Verfolgten.

    Dutertes Rückhalt in der Bevölkerung ist heute wohl etwas geringer als zu Beginn seiner Amtszeit vor zweieinhalb Jahren. Doch laut Umfragen stehen immer noch 75 Prozent der Filipinos hinter ihm. Dennoch verschlössen die Bischöfe nicht die Augen, sagt David. Denn das politische System sei am Zerfallen, die Demokratie sei dysfunktional. Die Opposition sei zersplittert, die Polizei könne nach Belieben walten, und die Justiz werde systematisch mit Richtern besetzt, die Duterte genehm seien. Wer sich kritisch äußere, lebe gefährlich, meint Bischof David.

    Quelle


    Mon, 24 Dec 2018 05:48:12 +0000 - Philippinen Magazin


    Quelle : https://philippinenmagazin.de/…ippinischen-praesidenten/